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Spuren-Safari

Jörn Kaufhold / Slowakei / Februar 2017

Beim Spurenlesen gibt es Tage, da ist fast nichts los. Und dann gibt es Tage, die fangen gut an, steigern sich und hören spektakulär auf. In Afrika gibt es die „Big Five“ – Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Hier in der Slowakei, zwischen der Hohen und der Niederen Tatra, haben wir die „Großen Drei“ – Luchs, Wolf und Braunbär.

Aber bevor ich von unserem Tag erzähle, sollte ich vielleicht eine Warnung aussprechen – unser Tag war nicht typisch fürs Spurenlesen. Es gibt Tage, da ist fast nichts los und es gibt Tage … gut, ich fange an:

Es ist der letzte Tag von Spuren im Schnee 2017. Schon beim Aussteigen entdecken wir Trittsiegel von Kaniden neben unseren Autoreifen. Auf einem Parkplatz ist der erste Gedanke natürlich Hund. Aber Vorsicht! denken wir, wir wollen nicht unseren eigenen Vorurteilen erliegen. Eine Fährte führt direkt in den Wald. Vorher hat er oder sie allerdings noch einen schneebedeckten Baumstumpf markiert. Offensichtlich wurde ein Bein gehoben. Allerdings können bei Hunden wie bei Wölfen beide Geschlechter die Beine hebn. Andreas, weist darauf hin, dass die Höhe der Markierung nicht allzu hoch ist. Das könnte ein Indiz für eine Fähe sein. Sorgfältig nehmen wir eine Urinprobe und vermessen die Fährte. Diese und folgende Daten gehen dann ein in das Raubtier-Monitoring der Slovak Wildlife Society.

Wolfsfährte

Zu fünft folgen wir der Fährte hangaufwärts. Stellenweise ist der Schnee geschmolzen, aber einer von uns findet immer wieder den Anschluss. Schon nach rund 200 Metern führen uns die Trittsiegel zu einem Riss. Hinter einem Baumstamm liegen Fellreste von einem Reh. Ein offensichtlicher sehr alter Riss. Anderthalb Woche zuvor hat ein Kollege von mir, genau hier auf diesem Hang einen Wolf mit seiner Gruppe gesichtet. Dieser Rehriss war vermutlich der Grund dafür.

Decke

In der Unterhaut finden wir zwei Zahnmarken. Ringsherum keine Unterhautblutung, somit wurden die Bisse höchstwahrscheinlich zugefügt, als das Reh schon tot war. Die Zahnmarken liegen mit 8 cm ziemlich weit auseinander, wenn die Decke nicht auseinandergezogen wurde, dann hat vermutlich ein Braunbär das Reh verwertet. Wir können nicht ausmachen, wie es zu Tode gekommen ist. Auf dem umgekippten Baumstamm finden wir einige Trittsiegel von einem Luchs. So können wir mit Sicherheit sagen, dass Wolf und Luchs vorbeigekommen sind.

Riss

Wir folgen jedoch weiter „unserer Wölfin“, wie wir sie forsch nennen. Die Fährte führt über einen Hang mit viel Windbruch und großen Stellen ohne Schnee. Da macht das gemeinsame Trailen so richtig Spaß. Wir knobeln, laufen zurück, probieren Richtungen aus, verlieren die Fährte und finden sie immer wieder. Die Fährte führt uns runter bis zum Fluss. Andreas findet mit seinem Fernglas auf der anderen Seite im Ufersand ein weiteres Trittsiegel. Also Schuhe aus und barfuß durch das eiskalte Wasser und über die Landstraße 72.

Kurze Zeit danach eine weitere Überraschung – nur 100 Meter von der Landstraße legt sich der Wolf hin. Wenig idyllisch, wie ich reichlich menschlich finde. Auf dem Liegeplatz liegen kleine Splitter von Knochen und klitzekleine Stücke von weißem Fett, vermutlich vom Knochenmark. Weiter steigen wir der Fährte hinterher. Dann ruft Andreas „Bär“ und die anderen sind weg, um seine Fährte aufzunehmen.

Kurz dahinter verlieren wir die Wolfsfährte trotz ausgiebigen Zirkelns. Stattdessen folgen wir den Trittsiegeln des Bären für eine Weile, überrascht, dass die Bärin oder der Bär immer wieder graben, offensichtlich nach Nahrung. Als ein Reh weit vor uns schreckt, machen wir kehrt, der Tag neigt sich dem Ende entgegen. Auf dem Rückweg entdecken wir weitere Bärenspuren (vermutlich das gleiche Tier). In einem steilen Abschnitt können wir in den Spuren sehen, dass der Bär ausgerutscht ist und mit einer Körperseite im Schnee gelegen hat. Stolpern ist halt nicht nur menschlich. Wir nehmen eine Probe von einer Bärenlosung und stoßen wieder auf die Wolfsfährte, doch wir müssen zurück zum Auto.

Was für ein Tag mit den Großen Drei.

Eine Woche später holen Kollegen von der Slovak Wildlife Society die Speicherkarte einer Fotofalle, die im selben Gebiet hing, in der wir unterwegs waren. Darauf Bilder von zwei Wölfen. Gut möglich, dass wir einem oder einer von beiden gefolgt sind.

Wolf 1 

Wolf2